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Beratungspflichten aus dem Anwaltsvertrag – und der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

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Ein Dritter kann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist.

Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein. Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere; vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen.

Grundsätzlich kann auch ein Anwaltsvertrag Vertragspflichten enthalten, die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter begründen.

Jedoch erlaubt der Anwaltsvertrag von seinem Wesen und seiner Struktur her nur in seltenen Fällen eine solche, unmittelbar Schadensersatzansprüche auslösende Einbeziehung Dritter in die aus dem Vertrag entstehenden Pflichten. Denn er ist auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebaut und daher vom Inhalt her streng zweiseitig ohne Außenwirkung angelegt. Interessen Dritter am Ergebnis der anwaltlichen Tätigkeit können daher im Allgemeinen nicht zu einer Haftungserweiterung des Rechtsanwalts führen, selbst wenn diese Personen dem Rechtsanwalt benannt oder gar bekannt sind.

Ein echter Anwaltsvertrag, aufgrund dessen der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber Rechtsbeistand schuldet, kann aber dennoch zum Inhalt haben, dass der Anwalt auch die Vermögensinteressen eines Dritten wahrzunehmen hat. Dann kann die – notfalls ergänzende – Auslegung des Vertrages ergeben, dass der Dritte in den Schutzbereich der anwaltlichen Pflichten einbezogen ist. Hieraus kann er zwar, falls nicht die Voraussetzungen des § 328 BGB vorliegen, keinen primären Anspruch auf die vertragliche Hauptleistung, wohl aber einen eigenen sekundären Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt haben. Diese Grundsätze gelten insbesondere für Anwaltsverträge mit Schutzwirkung zugunsten von Angehörigen des Mandanten. Voraussetzung ist, dass die Rechtsgüter des Dritten nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall durch die Anwaltsleistung mit Rücksicht auf den Vertragszweck beeinträchtigt werden können und der Mandant ein berechtigtes Interesse am Schutz des Dritten hat.

Erforderlich ist insoweit ein „spezifischer Risikozusammenhang“ zwischen der vertraglichen Tätigkeit der Rechtsanwälte und der Gefährdung der Interessen des Dritten. Bei diesem Merkmal ist nicht entscheidend, inwieweit der eingetretene Schaden einer Pflichtverletzung der Rechtsanwälte zuzurechnen ist. Diese Frage wird (erst) im Tatbestandsmerkmal der Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden geprüft. Für die Leistungsnähe kommt es vielmehr darauf an, welchen Risiken der Dritte bei Vertragsschluss, aus ex ante Sicht, durch die vertragliche Leistung der Rechtsanwälte ausgesetzt ist.

Eine Betrachtung der höchstrichterlichen Entscheidungen verdeutlicht weitergehend, was mit dem Merkmal des spezifischen Risikozusammenhanges gemeint ist.

Die Leistungsnähe wurde durch den Bundesgerichtshof in einem Fall bejaht, in dem ein Rechtsanwalt die testamentarische Erbeinsetzung der Tochter des Mandanten bewirken sollte. Aufgrund eines Anwaltsfehlers unterblieb das zu erstellende Testament. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Sorgfaltspflicht auch gegenüber der Tochter, deren Vermögensinteressen durch die Rechtsberatung oder Geschäftsbesorgung gewahrt werden sollten.

Die Leistungsnähe wurde durch den Bundesgerichtshof in einem Fall bejaht, in dem ein Rechtsanwalt Eheleute beim Abschluss einer Scheidungsvereinbarung beraten hatte, in der der eine Teil dem anderen versprach, ihren Kindern bestimmte Vermögenswerte zuzuwenden. Nachdem die Vereinbarung wegen eines Verschuldens des Rechtsanwaltes nicht durchsetzbar war, konnten die Kinder, welche aus der Scheidungsvereinbarung Rechte erhalten sollten, gegen den Rechtsanwalt eigene Ansprüche geltend machen.

Ebenfalls bejaht hat der Bundesgerichtshof die Leistungsnähe in einem Fall, in dem ein Rechtsanwalt eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber über den Erhalt von Ruhegeld verschriftlichen sollte. Die mitklagende Ehefrau des Arbeitnehmers machte geltend, dass der vom beklagten Rechtsanwalt entworfene Vertrag nicht eindeutig formuliert sei und sich unmittelbar auf die Anwartschaft der ihr zustehende Witwenrente auswirke.

Als in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrages einbezogen hat der Bundesgerichthof die Kinder eines im Beauftragungszeitpunkt lebensgefährlich erkrankten Erblassers angesehen, welche gegen einen Rechtsanwalt klagten, der zugunsten der Kinder ein durch Erbvertrag mit vertraglicher Rücktrittsklausel begründetes Alleinerbrecht der Ehefrau des Erblassers ausschließen sollte.

Auch im Falle eines Erblassers, der sich zu Lebzeiten erbrechtlich hat beraten lassen, waren die Erben in den Anwaltsvertrag einbezogen. Das entschied der Bundesgerichtshof, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die fehlerhafte Beratung des Rechtsanwaltes bei der Errichtung des Testamentes zum Verlust von Gesellschaftsanteilen der Erben führte.

Schutzwirkung wurde auch zugunsten eines Altgesellschafters angenommen aus einem Vertrag zwischen einer GmbH und einem Rechtsanwalt, welcher die GmbH hinsichtlich einer Kapitalerhöhung im Wege der verdeckten Sacheinlage beraten sollte. Der Bundesgerichtshof argumentierte, dass die verdeckte Sacheinlage für den Gesellschafter die Gefahr begründe, die Einlage bei Vermögensverfall doppelt aufbringen zu müssen. Der Gesellschafter bleibe zur Bareinzahlung verpflichtet, ohne bei Insolvenz der Gesellschaft eine anderweitige Forderung gegen die Gesellschaft verwirklichen zu können.

Drittschutz hatte zu Gunsten betrogener Anleger ein Treuhandvertrag zwischen einem Rechtsanwalt und einem betrügerischen Anlagevermittler, der gezielt Anlegergelder veruntreute. Die Zahlungen der Anleger erfolgten – laut dem Anlageprospekt zu deren Sicherheit – über das Anderkonto des Rechtsanwaltes. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Tatrichter dem Zusammenspiel zwischen dem Anlagevermittler und dem Rechtsanwalt und den jeweils neu unterzeichneten Vereinbarungen über die Zahlungsabwicklungen entnehmen durfte, dass dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis eines Dritten Rechnung getragen werden sollte.

Die erforderliche Leistungsnähe hat der Bundesgerichtshof auch in einem Steuerberatervertrag zugunsten des Geschäftsführers einer GmbH angenommen. Der klagende Geschäftsführer machte den Steuerberater für das Entstehen einer Steuernachforderung verantwortlich, für die er der GmbH persönlichen haftete, weil der dortige Beklagte bei der Betriebsprüfung Anforderungen der Finanzverwaltung nicht hinreichend nachgekommen sei und zuvor schon fehlerhafte Buchungen und Bilanzierungsarbeiten vorgenommen habe. Der Bundesgerichtshof argumentierte, die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur steuerlichen Beratung seiner Anstellungs-GmbH ergebe sich aus § 34 Abs. 1 AO. Der Geschäftsführer hatte die von ihren Beratern vorbereiteten Steuererklärungen der GmbH zu unterzeichnen und zu verantworten. Den Geschäftsführer treffe persönlich auch die Mitwirkungspflicht der GmbH gemäß § 90 AO, für deren Erfüllung er typischerweise auf die Unterstützung der steuerlichen Berater angewiesen sei, welche die GmbH beauftragt habe. Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkung für die steuerpflichtige GmbH begründeten ein spezifisches steuerliches Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nach den §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt sei und welches bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren Tätigkeit zurückgehen könne.

Ergehe nach den §§ 34, 69 AO ein Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer, so könne diese Heranziehung auch rechtswidrig sein. Das Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH werde unter Umständen erst geschaffen, wenn der steuerliche Berater infolge eigener Nachlässigkeit mit Bezug auf die Mitwirkungspflichten der Mandanten gemäß § 90 AO die Finanzverwaltung annehmen lasse, die von ihm betreute Gesellschaft habe bislang nicht offenbarte Steuertatbestände verwirklicht oder ungerechtfertigte Abzüge in Anspruch genommen, während pflichtmäßiges Handeln ihm ermöglicht hätte, die ungünstige Feststellung der Finanzverwaltung und damit den Steuerschaden der Mandantin zu vermeiden.

Dieses Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers sei eine typische Begleiterscheinung pflichtwidrig verursachter Steuerfestsetzungen gegen eine zahlungsschwache GmbH, wenn zur vollen Begleichung der Steuerschuld später die Mittel fehlten. Es komme für die Frage des Drittschutzes nicht darauf an, ob dieses Risiko sich verwirkliche oder nicht und ob ein ergangener Haftungsbescheid in seinen subjektiven Voraussetzungen und hinsichtlich der Ermessensausübung rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Gehe eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Mandanten nach § 90 AO auf Versäumnisse des steuerlichen Beraters zurück, so könnten sich die Folgen bei der steuerrechtlich gebotenen Sachverhaltsfeststellung innerhalb des Beweismaßes und der anzustellenden Beweiswürdigung der Finanzverwaltung auch zum Nachteil eines möglichen Haftungsschuldners auswirken. Die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur pflichtwidrigen steuerlichen Betreuung seiner Anstellungs-GmbH, die ungünstige Beweisfolgen und im weiteren vermeidbare Steuerfestsetzungen gegen die GmbH zur Folge habe, sei demnach so groß, dass der Geschäftsführer in den persönlichen Schutzbereich der verletzten Beraterpflichten einbezogen werden müsse.

Ebenso komme der Geschäftsführer einer GmbH mit der ihr gegenüber erbrachten Leistung bestimmungsgemäß in Berührung, wenn er von den steuerlichen Beratern der GmbH durch Fehler der Buchführung, ungerechtfertigte Vorsteuerabzüge oder Fehlbeurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbestände als umsatzsteuerfrei in das Haftungsrisiko der §§ 69, 191, 219 AO verstrickt werde. Zwar erleide dann die GmbH bei normativer Betrachtung keinen Schaden; sie werde nur der gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen. Der Geschäftsführer sei aber durch seine Haftung auch im Rechtssinne geschädigt, weil er bei Erfüllung seiner Pflichten für Steuerausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht einzustehen gehabt hätte.

Bei dem Verhalten des Geschäftsführers, welches ihm möglicherweise als vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden könne, der verspäteten und fehlerhaften Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, seien Angehörige und Mitarbeiter der beklagten Steuerberatersozietät beteiligt gewesen. Der Geschäftsführer einer GmbH dürfe ebenso wie die Auftraggeberin im Blick auf die vertragliche Haftung darauf vertrauen, dass die von der Gesellschaft beauftragten Steuerberater die anstehenden steuerlichen Fragen fehlerfrei bearbeiten, ohne dass von seiner Seite eine Kontrolle notwendig sei. Insbesondere gelte dies, wenn auch die Buchführung von dem steuerlichen Berater zu besorgen sei, wie hier vom Kläger behauptet werde, für die Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen einer GmbH. Zur sorgfältigen Erfüllung solcher Vertragspflichten habe der Berater die Geschäftsunterlagen des Mandanten anzufordern, zu sichten, auf abziehbare Vorsteuern zu prüfen und steuerfreie Umsätze auszuscheiden.

Bei der steuerlichen Inhaftungnahme des Geschäftsführers einer GmbH für offene Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft würden jedoch gegenüber der Finanzverwaltung andere Grundsätze gelten. Zwar könne dem Geschäftsführer einer GmbH das Verschulden des steuerlichen Beraters der GmbH bei der Fertigung von Steuererklärungen nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden. Der Geschäftsführer hafte aber nach den §§ 34, 69 AO für die Verletzung der ihm in diesem Rechtsverhältnis abverlangten sorgsamen Auswahl und Überwachung derjenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm auferlegten steuerlichen Pflichten für die GmbH übertragen habe. Für den Fall der Unterzeichnung einer vom Steuerberater entworfenen Umsatzsteuererklärung könne eine Haftung des die Unterschrift leistenden Geschäftsführers in Frage kommen, wenn er selbst nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Anlass und Möglichkeiten gehabt habe, die Richtigkeit der Steuererklärung zu überprüfen.

Landgericht Stuttgart, Urteil vom 24. Februar 2015 – 9 O 108/14


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